Gruppentherapie ist ein sehr effektives Verfahren persönliche Entwicklungen und Erkenntnisse zu fördern. Ich erlebe es so, dass der Reiz und das Interesse nach einer Gruppenerfahrung sehr groß sind und gleichzeitig dann doch viele Hemmungen und Ängste die Teilnahme verhindern. Sind diese erst einmal abgebaut, berichten die meisten sehr positiv von den Erfahrungen in der Gruppe. Daher möchte ich mit folgendem Beitrag einige Ängste und Hemmungen abbauen und Interessierte ermuntern diese bereichernde Erfahrung in Erwägung zu ziehen.
(Foto: Copyright Sarah Stieger)
Was ist Gruppentherapie?
In der Gruppentherapie finden mehrere Personen gleichzeitig und gemeinsam ihren Weg der persönlichen Entwicklung. Die Erfahrung, dass Andere ähnliche Ängste und Sorgen oder Ähnliches erfahren haben, kann ein Gemeinschaftsgefühl aufkommen lassen, das für sich bereits heilsam ist. Die Teilnehmer lernen nicht nur durch ihre eigenen Erkenntnisse, sondern auch, wenn sie dies bei anderen beobachten. So muss nicht alles ausgesprochen werden, sondern jeder kann bei den anderen „mitnehmen“, was auch für den eigenen Entwicklungsweg hilfreich ist. Die Art und Weise wie Gruppentherapie gestaltet wird und welche Methoden hier einfließen, ist abhängig vom zugrundeliegenden psychotherapeutischen Verfahren. Der Psychotherapeut bietet der Gruppe den Raum für Prozesse, eröffnet diese durch konkrete Fragen oder kreative Ideen. Außerdem wahrt er den Rahmen der wertschätzenden gewaltfreien Kommunikation, fördert persönliche Rückmeldungen und hat im Blick, dass die Bedürfnisse der Gruppenmitglieder möglichst ausgeglichen Raum finden. Dadurch können negative Gruppenerfahrungen durch eine positive Erfahrung ergänzt werden, sodass Ängste reduziert werden können. Die Gruppentherapie ist eine Kombination aus gemeinsamen Prozessen und Erfahrungen und vertiefenden Einzelarbeiten. Die Psychotherapeutin kann z.B. der ganzen Gruppe einen Impuls oder eine kreative Aufgabe zu einem bestimmten Thema geben und wer dann möchte kann in der Folge tiefer einsteigen und die anderen an diesem Prozess mit der Therapeutin teilhaben lassen. Danach können Rückmeldungen, Eindrücke und Fragen von den Mitgliedern den Prozess erweitern. Auch kann geschaut werden, was der Prozess in den anderen ausgelöst hat, sodass auch hier das Potenzial von Erkenntniserweiterung gegeben ist. Diese aufeinander bezogenen Prozesse der Mitglieder untereinander ist der wesentliche Unterschied zur Einzeltherapie – so können Erkenntnisse und Prozesse entstehen, die im Einzelsetting nicht oder nur sehr langsam sichtbar geworden wären.
Vorzüge einer Gruppentherapie
Mitlernen bei Prozessen von anderen – dadurch ist es nicht notwendig alles selbst auszusprechen
Wahrnehmen nicht allein mit diversen Ängsten, Sorgen und Gefühlen zu sein
Erfahrung von Solidarität und Mitgefühl untereinander
Beziehungs-Dynamiken können in der Gruppe sichtbar und durch Rückmeldungen bearbeitbar werden
Soziale Ängste können bewusst abgebaut werden – eine gewisse Art von „Training“ im geschützten Raum ist möglich (Fragen wie „Wie wirke ich auf andere?“ „Warum tu ich mich im Kontakt so schwer?“ können mit Hilfe der Sichtbarkeit in der Gruppe reflektiert werden)
Möglichkeit Kontakte zu knüpfen
Ein Beispiel aus eigener Erfahrung
Ich selbst habe die Gruppentherapie im Rahmen der Psychotherapie-Ausbildung sehr zu schätzen gelernt – und auch ich hatte die klassischen Hemmungen und Ängste wie „wie werde ich wahrgenommen?“ – „Werde ich ernst genommen?“ „Werde ich vielleicht sogar ausgelacht“? usw. usf. Ich denke diese und ähnliche Gedanken kennen wir alle, denn wir alle haben mehr oder weniger gute oder schlechte Erfahrungen in und mit Gruppen gemacht. Was ich als so besonders wahrgenommen habe: die Psychotherapeutin schafft den Rahmen, den wertschätzenden Boden, auf dem jeder mit seinem Sein in seiner Individualität gesehen und geschätzt wird. Es gibt ehrliche Rückmeldungen, aber eben auf dem Boden der Wertschätzung, nicht der Feindseligkeit und immer mit dem Fokus der Entwicklung. Keine Rückmeldung ist ein Gesetz, sondern nur eine Wahrnehmung – der andere entscheidet, ob er damit etwas anfangen kann oder nicht. Alleine diesen Rahmen fand ich unglaublich heilsam für alle – trotz unser aller Unterschiedlichkeit. Nun zum konkreten Beispiel: ich habe irgendwann gemerkt, dass es mir schwer fällt „Raum einzunehmen“, ich mich zurück ziehe, nicht in Kontakt bleibe mit der Gruppe. Dies sprach ich dann an und wir fanden folgende Lösung: Immer, wenn ich es merke, durfte ich dies äußern und die ganze Gruppe sagte im Chor „Komm herein zu uns“. Und letztendlich musste ich dies nicht einmal immer äußern, sondern die Mitglieder hatten es im Blick und boten die Intervention von selbst an. Dies sind heilsame Momente, die in einer Gruppe besondere Kraft entwickeln – es ist einfach etwas anderes, wenn meine Therapeutin mir das sagt oder eine ganze Gruppe…
Diese heilsamen Momente möchte ich nun in meiner therapeutischen Tätigkeit ebenso anderen ermöglichen. Vielleicht konnte ich hier einige Ängste nehmen und den Weg in eine Gruppenerfahrung öffnen. Wenn auch die Gruppe herausfordernd sein mag, steckt sehr viel Potenzial in ihr.
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